„Treppen sind oft mehr als die Summe ihrer Stufen!“
Wir alle kennen es, wir betreten ein Gebäude, suchen und finden den Aufzug und fahren in die gewünschte Etage. Kaum jemand nimmt noch die Treppe, wenn es nicht notwendig ist. Klar, es ist bequem, geht schnell und man kommt nicht ins Schwitzen. Doch wer sich für Architekturfotografie interessiert, sollte öfters mal das Treppenhaus aufsuchen. Doch wie kann man nun Treppen richtig fotografieren?
Es war im Jahr 2006, als ich mein erstes Treppenhaus fotografiert habe. Ich bin oft mit der Straßenbahn daran vorbei gefahren und eines Tages hatte ich meine kleine Kompaktkamera (von Olympus) dabei und machte Bilder von diesem Treppenhaus. So sah das damals aus:
Dies war der Auftakt zu einer bis heute anhaltenden Faszination für besonders schön geformte Treppenhäuser. Dabei spielen Treppen mit einem sogenannten „Auge“ in der Mitte die Hauptrolle. Der Formenvielfalt ist dabei kaum eine Grenze gesetzt: Rund, oval, quadratisch, rechteckig, nierenförmig, rautenförmig und viele Formen mehr. Inzwischen schaue ich auch über die Stadtgrenzen von Dresden hinaus und fotografiere Treppenhäuser überall dort, wo ich hinkomme: Dresden, München, Regensburg, Berlin, Leipzig, New York, Paris, Prag.
Doch wie kann man Treppen richtig fotografieren? Was kann schief gehen? Worauf sollte ich unbedingt achten?
Zunächst einmal muss man eine solche Treppe finden. Verbaut wurden diese oftmals in Gebäuden der 50er und 60er Jahre, denn damals wollte man Gebäude noch mit protzigen Treppenhäusern zur Geltung bringen. Erst in den 90iger Jahren gab es wieder vereinzelt Gebäude, wo ebenfalls großzügige Treppenhäuser verbaut wurden. Auch öffentliche Gebäude, wo im Ernstfall möglichst viele Menschen auf einmal evakuiert werden müssen, haben größere Treppenhäuser.
Egal wo du eine Treppe fotografierst, erkundige dich, ob du Fotos machen darfst oder eine Erlaubnis des Eigentümers notwendig ist. Im schlimmsten Fall könnte jemand den Sicherheitsdienst oder die Polizei rufen und du riskierst eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch. Nur ganz ganz ganz selten habe ich Absagen erhalten, viele fanden es jedoch interessant, „verrückt“ oder nachvollziehbar (angesichts der schönen Treppe) und haben eingewilligt.
Hast du ein schönes Treppenhaus mit einem „Auge“ in der Mitte gefunden und eine Fotoerlaubnis (mündlich oder besser gleich schriftlich) eingeholt, dann kann es endlich losgehen. Schau dich um, ist ausreichend Licht vorhanden? Geht das Licht automatisch an/aus (Bewegungsmelder) oder gibt es Lichtschalter? Gibt es störende Gegenstände wie Pflanzen oder Aufsteller oder ähnliches? Richte dir dein Treppenmotiv ein, tue dies aber respektvoll, denn du darfst dich ja glücklich schätzen, hier überhaupt fotografieren zu dürfen. Wähle für dein Foto den möglichst niedrigen Standpunkt deiner Kamera, lege diesen ggf. einfach auf den Boden und richte die Kamera so gut wie möglich aus.
Von Vorteil kann ein kleiner Spiegel sein oder an immer mehr Kameras das schwenkbare Display. Möchtest du ein bisschen mit der Perspektive experimentieren und garantiert scharfe Bilder haben, dann nutze ein Stativ. Am Anfang habe ich meine Kompakte auf den Boden gelegt und solange ausgelöst, bis mir die Perspektive gefallen hat. Das habe ich auch mit meiner ersten Spiegelreflexkamera getan, selten kam ein Stativ zum Einsatz – wenn ich mir die damals gemachten Bilder so ansehe, ein Fehler. Inzwischen habe ich eine DSLR mit schwenkbarem Display und gehe nur mit Stativ auf „Treppentour“.
Um möglichst viel vom Treppenhaus, sprich so viele Absätze wie möglich auf’s Bild zu bekommen, empfiehlt sich ein Ultraweitwinkelobjektiv oder ein Fisheye. Ich habe mich für das Sigma 10-20mm F4,0-5,6 EX DC HSM entschieden und bin mit der Qualität sehr zufrieden. Aber ich bin kein technikaffiner Typ, mit jeder Kamera und mit jedem Equipment sind gute Treppenfotos möglich, auf die Bedienung und dein gutes Auge kommt es an.
Wenn du mit der klassischen Ansicht – Treppe von unten – fertig bist, dann wiederhole das Ganze von oben. Laufe hinauf und mache Bilder von oben nach unten. Dies werden oft etwas „schräge“ Aufnahmen, da man sich nicht wirklich mittig positionieren kann. Denkt dabei an eure Sicherheit: Kein Foto ist es wert, dass man sich in Gefahr bringt. Verzichtet auch hier nicht auf ein Stativ. Ist genügend Licht vorhanden, kann man ruhig versuchen die Kamera, so weit es gefahrlos möglich ist, in der Mitte der Treppe zu halten und ein Foto von oben machen.
Wenn ihr auch damit durch seid, dann schaut euch die Treppe im Detail an. Gibt es Besonderheiten am Geländer, am Handlauf, an den Stufen, bei den Lampen, usw. Versucht auch mal besondere Blickwinkel auf die Treppe oder experimentiert mit verschiedenen Aufnahmetechniken. Ich habe zum Beispiel eine Panoramaaufnahme in einem besonders großen Treppenhaus gemacht. Was fällt euch ein? Lasst eurer Kreativität freien Lauf.
Doch nicht immer muss alles gut laufen, einiges kann auch zur Herausforderung werden. Ist das Treppenhaus zum Beispiel innenliegend und ohne Fenster, dann seid ihr auf gutes Treppenhauslicht angewiesen. Es gibt aber durchaus Treppenhäuser, wo Licht nur für einzelne Etagen angeht oder nur wenn Bewegung auf der Treppe stattfindet. Auch kurze Schaltphasen können zum Problem werden. In Wien habe ich ein Treppenhaus mit 6 Etagen fotografiert.
Dort konnte man das Licht einschalten, nur blieb es nicht lange an. Ich bin also von oben nach unten gerannt, so leise es geht, hab überall das Licht eingeschaltet, war kaum unten, da ging es oben schon wieder aus. Da ich allein war, war ich auch auf mich gestellt. Nach einigen Anläufen hatte ich dann meine Wunschbilder im Kasten und konnte glücklich weiterziehen.
Auch neugierige Hausbewohner können zum „Problem“ werden. Wieder ein Beispiel: Ich habe eine schöne dreieckige Treppe entdeckt, mir die Erlaubnis der Hausverwaltung eingeholt und bin zum Fotografien angerückt. Und in der zweiten Etage gab es einen älteren Herrn, der mich beobachtet hat und erst nach einem kurzen (gefühlt ewigem) Gespräch allein gelassen hat. Auch dafür sollte man Zeit einplanen.
Wie schaut es mit den Kameraeinstellungen aus?
Ich bin lieber draußen unterwegs als zu Hause am Rechner Bilder zu bearbeiten, aus diesem Grund versuche ich so viel wie nur irgend möglich schon bei der Aufnahme richtig zu machen. Ich verzichte fast immer auf Belichtungsreihen, wähle eine kleine Blende, um ein gleichmäßig scharfes Bild zu erhalten, ISO 100 versteht sich von selbst, man hat ja ein Stativ. Den Weißabgleich belasse ich auf Auto und korrigiere diesen dann in Photoshop Elements. Grund dafür ist, dass mir oft keiner der vorgegebenen Weißablgeich-Modi gefällt. Je nach Treppenhausbeleuchtung belichte ich etwas unter oder etwas über, dies ist jedes Mal eine neue Entscheidung. Nach etwas Übung habt ihr sicher den Dreh raus.
Ich denke, um anzufangen habe ich euch ein paar interessante Dinge mitgeteilt. Bitte scheut euch nicht, mir bei Fragen einfach eine Email zu schreiben. Und wer sich inspirieren lassen möchte, schaut sich in dieser Galerie etwas um.
Jetzt aber raus und auf Treppensuche gehen, ich wünsche euch viel Spaß!
3 Kommentare
Mit Treppenfotografie hast du eindeutig deine Bestimmung gefunden! Die Fotos stechen aus Tausend anderen Treppenfotos heraus, weil Sie mit Blick auf Details sehr gut arrangiert und hervorragend bearbeitet sind. Respekt! Weiter so…
Im Übrigen mag ich solche Beiträge, weil du von der Planung bis zur Durchführung deiner Fotos schreibst. Nur so können wir anderen Fotografen auch etwas lernen. Toll!
Vielen Dank Sandro und Torsten, ich freu mich, dass euch der Beitrag gefällt 🙂
Hi Frank, danke für dein Input in der Sache Treppenfotografie. Tolle Bilder die man sich als Einzelbild sehr gut vorstellen kann, wegen Ihres Detailreichtums, oder auch als Kollage oder Ausstellung… Super schön! Tolles Auge und noch bessere Planung. Aber warum Planung, wir nennen es ab jetzt Frank… 🙂